Quantenrechner: Großes Potenzial für den Verkehrssektor - Nachbericht der Cluster@HOLM-Jahreskonferenz
Frankfurt am Main, 07.12.2021 – Optimierung, Machine Learning und Simulationen sind Anwendungen, bei denen Quantenrechner ihre Vorteile im Vergleich zu klassischen Digitalrechnern ausspielen können. Solche Anwendungen werden heute vor allem in der Finanzbranche genutzt. Kaum weniger Potenzial haben die neuen Rechner aber auch im Verkehrssektor, etwa bei Routen- und Geschwindigkeitsoptimierungen im Straßenverkehr und in der Seeschifffahrt, bei der Entwicklung neuer Batterien für Elektroautos, in der Logistik wie in der Luftfahrt. Den Durchbruch in der Technologie der Quantenrechner, wenn eine „Rechenleistung“ von 1000 Qubits erreicht wird, erwarten ExpertInnen in den nächsten drei bis fünf Jahren. Das sind einige der wichtigsten Ergebnisse der Cluster@HOLM Jahreskonferenz „Quantumcomputing in Aviation, Logistik und Mobilität“ die am 8. November im HOLM veranstaltet worden ist und erstmals in Deutschland beim Thema Quantumcomputing den Fokus auf den Verkehrssektor gerichtet hat.
„Die Bundesregierung will die Industrie stärken, wir brauchen die Technologie,“ sagte von Prof. Dr. Dr. Leymann, Wissenschaftlicher Leiter des PlanQK-Konsortiums. Es gehe auch darum, Handlungsfreiheiten zu sichern, weil Quantenrechner in der Lage sind, jeden noch so komplexen Code von Digitalrechner zu entschlüsseln. „Wenn Deutschland im Gegensatz zu den USA oder China kein Quantumcomputing hat, dann sind wir in der Steinzeit, wenn die Codes geknackt werden.“
Deutschland und Europa haben nach Einschätzung der ExpertInnen aber gute Chancen, in der Entwicklung der Rechner in Hard- und Software mithalten zu können, weil es hier zu Lande gute Universitäten mit einer guten Ausbildung und kompetenten Nachwuchs gibt. Die USA und China seien dem Kontinent aber bei der Finanzierung voraus: In den USA gibt es enorme Mittel von privaten Investoren, in China stellt der Staat üppige Mittel bereit. Deshalb plädieren Prof. Dr. Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser (beide ParityQC) für den Aufbau eines starken Ökosystems für Quantenrechner in Europa, um die Wertschöpfung auf dem Kontinent zu sichern.
Was Quantenrechner im Vergleich zu ihren digitalen Apparaten vermögen, zeigt das „Travelling Saleman Problem“, das Manfred Rieck (DB Systel) im Verlauf der Konferenz erläutert hat. Dabei geht es um die Planung einer kurzen Reise, bei der alle Orte nur einmal besucht werden und die erste Station auch die letzte Station sein soll. Pro Route wird mit einer Rechenzeit von einer Nanosekunde kalkuliert.
Bei fünf Städte ergeben sich laut Rieck zwölf Routen, die gefahren werden können. Rechenzeit für alle Varianten: zwölf Nanosekunden. Bei zehn Städten ergeben sich 181.440 möglich Routen, wobei die Rechenzeit 0,00018 Sekunden beträgt. Bei 20 Städten sind es schon 60 Billiarden mögliche Routen, für die ein Digitalrechner zwei Jahre Rechenzeit benötigen würde. Damit sind Digitalrechner überfordert, erst recht, wenn es statt 20 Städten um 154 ICE Bahnhöfe mit 289 ICEs geht.
Messbare Effekte erzielt der Einsatz von Quantenrechner aber auch im internationalen Seeverkehr, etwa beim Containertransport. Matthias Imrecke (Imrecke Consulting) und Dr. Wolfgang Mergenthaler (CEO Frankfurt Consulting Engineers) konnten zeigen, dass durch eine optimierte Geschwindigkeit beim Treibstoffverbrauch bis zu zwölf Prozent Schweröl eingespart werden können. Pro Jahr verbrennen Seeschiffe im internationalen Verkehr bis zu 800 Mio t Schweröl, bei bis zu zwölf Prozent Einsparung werden sowohl starke betriebswirtschaftliche wie ökologische Effekte erzielt.
Laut Dr. Mergenthaler haben eine große Reederei und eine Fährlinie inzwischen Interesse am Quantumcomputing-Algorithmus, mit dem diese Effekte erzielt werden können.
Dass die neuen Rechner auch im Straßenverkehr sinnvoll eingesetzt werden können, hat VW 2019 beim Websummit in Barcelona nachgewiesen. Dabei sind die Routen von Bussen – abhängig vom Verkehrsaufkommen – so optimiert worden, dass die Fahrzeuge pünktlich an jedem Haltepunkt eingetroffen sind, ohne in einen Stau zu geraten, erläuterte Dr Florian Neukart (Terra Quantum AG), der damals das Projekt geleitet hat.
„Ich kann mit Quantumcomputing schon heute etwas tun, was praktischen Nutzen hat“, sagte Neukart.
Die Quantumcomputing-Konferenz ist eine Veranstaltung der Cluster@HOLM in Kooperation mit PlanQK, dem Technologieland Hessen, dem Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT), dem House of Digital Transformation (HoDT) und dem Frankfurter Zukunftskongress.
Ein Video-Mitschnitt der Veranstaltung ist hier abrufbar.
Bitte beachten Sie, dass dieser Link eine externe Website öffnet und Sie das Angebot von HOLM Frankfurt verlassen.