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Projekte der Innovationsförderung: CargoErgo – Prozess- und Ergonomieanalyse in der Luftfracht

Frankfurt am Main, 15.10.2020 – Das Land Hessen und die HOLM GmbH unterstützen seit 2014 im Rahmen der hessischen Innovationsförderung innovative Projekte und Vorhaben im Bereich Logistik und Mobilität. Inzwischen sind zahlreiche Ideen aus Mitteln des Landes und unter der Projektträgerschaft der HOLM GmbH und der HA Hessen Agentur GmbH gefördert und viele Projekte abgeschlossen worden. Die Projekte werden hier in loser Folge vorgestellt.

Heute: „CargoErgo: Prozess- und Ergonomieanalyse in der Luftfracht“, ein Projekt der TU Darmstadt (Projektleiter Dr. Eric Grosse und unter Mitarbeit von Heiko Diefenbach). Dr. Eric Grosse hat unsere Fragen über das Projekt beantwortet.

 

Wie ist die Idee für das Projekt entstanden?

Dr. Eric Grosse: Die Idee für das Projekt CargoErgo ist aus Gesprächen mit Handling Agents entstanden. So wurde berichtet, dass diese aufgrund des hohen Kostendrucks in der Luftfracht nach neuen Möglichkeiten suchen, interne logistische Prozesse effizienter zu gestalten, um langfristig im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Ein Bereich des Luftfrachthandlings, der besonders arbeits- und zeitintensiv ist, ist der Auf- und Abbau von Luftfrachtpaletten. Diese Prozesse sind allgemein von einem sehr hohen Anteil an manueller, körperlicher Arbeit geprägt. Die Luftfrachtpaletten müssen dabei manuell von den Mitarbeitenden bis zu einer Höhe von drei Metern aufgebaut werden, was aufgrund wenig ergonomischer Körperhaltungen und schwerer Sendungen ein hohes Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen, wie beispielsweise Rückenleiden, für die Mitarbeitenden birgt. Handling Agents werden sich, trotz prognostizierter Ausweitung des weltweiten Luftfrachtverkehrs, aufgrund demographischer Veränderungen in der Arbeitnehmerschaft von Logistikberufen zunehmend auch mit der sinkenden körperlichen Belastbarkeit und dem steigenden Krankenstand älterer Beschäftigter auseinandersetzen müssen.

Hinzu kommt, dass der Digitalisierungsgrad der Geschäftsprozesse in der Luftfrachtabwicklung allgemein noch sehr gering ist. Es wurde somit der deutliche Bedarf an ganzheitlichen Verbesserungsansätzen kommuniziert. Die Idee des Projekts war daher die gemeinsame Betrachtung der ablaufenden Prozesse, der verfügbaren technischen Hilfsmittel und Technologien sowie von Kosten-/Zeitaspekten und ergonomischen Belastungsgrenzen. Die erarbeiteten Vorschläge sollen somit bei möglicher Umsetzung nachhaltigen Charakter haben. Derartige Fragestellungen wurden für den Auf- und Abbau von Luftfrachtpaletten bislang nicht untersucht – was zur Idee für das Projekt CargoErgo führte.

Welche Bedeutung hat/hatte die HOLM-Innovationsförderung für das Projekt?

Dr. Eric Grosse: Die HOLM-Innovationsförderung war eines der zentralen Standbeine des Projekts CargoErgo. Ohne die finanzielle Förderung durch das HOLM und das Land Hessen, wäre das Projekt nicht – oder zumindest nicht in diesem Umfang – durchführbar gewesen. Insbesondere Mittel für personelle Ressourcen waren dafür in diesem Projekt ein wichtiges Förderinstrument.

Der Nutzen der HOLM-Innovationsförderung geht jedoch deutlich über die rein finanzielle Förderung hinaus. Das Netzwerk des HOLMs und Veranstaltungen, wie der HOLM-Innovationsmarktplatz, sind hervorragende Plattformen, um die Kommunikation und den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern. Somit werden Forschungsergebnisse für die Praxis greifbarer gemacht und praktische Anforderung und Restriktionen der Wissenschaft vor Augen geführt. Das Ergebnis sind Innovationen und Ideen, die einen tatsächlichen praktischen Nutzen erzielen können.

Welchen Nutzen für Wirtschaft und/oder Wissenschaft/Politik/Gesellschaft sehen Sie für Ihr Projekt?

Dr. Eric Grosse: Das Projekt CargoErgo hat zwei wesentliche Ziele der Prozessoptimierung bei Luftfrachtabfertigungsgesellschaften verfolgt. Zum einen war das Ziel, Möglichkeiten zur Verbesserung der Prozesseffizienz ausfindig zu machen und zu analysieren. Ein Fokus lag dabei auf der Digitalisierung. Auch wenn bereits vorab bekannt war, dass es in diesem Bereich Defizite gibt, so konnte das Projekt noch einmal verdeutlichen, welche Teilbereiche besonders relevant sind und welche Maßnahmen eine Verbesserung versprechen. Damit liefert das Projekt eine fundierte Entscheidungshilfe für Unternehmen, die sowohl deren individuelle Wettbewerbsfähigkeit als auch längerfristig die des Standorts Flughafen Frankfurt stärkt.

Das zweite Ziel war die Analyse der körperlichen Belastung des operativen Personals mit Hilfe ergonomischer Bewertungsmethoden und die Recherche von Hilfsmitteln, die geeignet sind, diese zu reduzieren. Es wurden in diesem Zusammenhang diverse Hilfsmittel identifiziert, erörtert und bewertet. Hohe physische Belastungen begünstigen das Risiko des Personals muskuloskelettale Erkrankungen, wie z. B. Rückenschmerzen, zu entwickeln. Muskuloskelettale Erkrankungen bedingen Arbeitsausfälle und können zu hohen Rehabilitations- und Kompensationskosten für den privaten und öffentlichen Sektor führen. Die im Rahnem des Projekts erarbeiteten Hilfsmittel zeigen eine Möglichkeit auf, körperliche Belastung effizient zu reduzieren. Neben einer Steigerung des Wohlbefindens des Personals, die besonders vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung relevant wird, führt dies zu Kosteneinsparung, die sowohl den Unternehmen als auch der Öffentlichkeit zugutekommen.

Was hat Sie am Projekt am meisten überrascht?

Dr. Eric Grosse: Das Projekt und insbesondere die erarbeiteten Verbesserungsmöglichkeiten und Vorschläge zum Hilfsmitteleinsatz wurden sehr gut vom operativen Personal aufgenommen, was in positiver Hinsicht überraschend war. Es gibt Berichte, dass Mitarbeitende häufig möglichen Veränderungen in der Arbeitsumgebung, v.a. bedingt durch technologische Änderungen, skeptisch gegenüberstehen. Dass dies beim vorliegenden Projekt nicht der Fall war, bestätigt die Relevanz der untersuchten Fragestellung und die Bereitschaft, erzielte theoretische Ergebnisse auch in der Praxis zu implementieren.

Wo sehen Sie einen weiteren Forschungs-/Anwendungsbedarf und/oder Einsatzbereich?

Dr. Eric Grosse: Der Fokus des Projekt CargoErgo lag auf der Analyse des Ist-Zustands und auf der Identifikation geeigneter Verbesserungsmaßnahmen. Während die vorgeschlagenen Maßnahmen zwar auf theoretischer Ebene erörtert wurden, erfolgen im Rahmen des Projekts keine abschließenden praktischen Studien zu deren Implementierung. Da die theoretische Aussagekraft gewissen Einschränkungen unterliegt, stellen umfassende praktische Studien zu den vorgeschlagenen Hilfsmitteln und Verbesserungsvorschlägen den nächsten logischen Schritt und weiteren Forschungsbedarf dar.

Mit welchen Partnern möchten/wollen Sie das Projekt ggf. fortführen/weiterentwickeln?

Dr. Eric Grosse: Die beiden Praxispartner des Projekts, Swissport und LUG, sind sich den Vorteilen fortlaufender Prozessdigitalisierung bewusst und streben dies langfristig an. Dies eröffnet in der Zukunft die Möglichkeit weiterer Zusammenarbeit im Rahmen von Praxisstudien. Konkretere Pläne für weitere Zusammenarbeit bestehen außerdem hinsichtlich der Erprobung von (passiven) Exoskeletten, einem Hilfsmittel, das innerhalb des Projekts als sehr vielversprechend zur Reduktion der körperlichen Belastung identifiziert wurde. Geplant ist hier die Anschaffung eines oder mehrerer Modelle, die im Rahmen einer wissenschaftlich begleiteten Praxisstudie erprobt werden sollen.

 

Bild: TU Darmstadt

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