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Projekte der Innovationsförderung: AufKomm – Fähigkeitsgerechte Auftragsvergabe in der manuellen Kommissionierung

Frankfurt am Main, 08.03.2021 – Das Land Hessen und die HOLM GmbH unterstützen seit 2014 im Rahmen der hessischen Innovationsförderung innovative Projekte und Vorhaben im Bereich Logistik und Mobilität. Inzwischen sind zahlreiche Ideen aus Mitteln des Landes und unter der Projektträgerschaft der HOLM GmbH und der HA Hessen Agentur GmbH gefördert und viele Projekte abgeschlossen worden. Die Projekte werden hier in loser Folge vorgestellt.

Heute: AufKomm – Fähigkeitsgerechte Auftragsvergabe in der manuellen Kommissionierung, ein Projekt der Technischen Universität Darmstadt. Prof. Dr. Ralf Elbert, Fachgebietsleiter Unternehmensführung und Logistik, und Julia Wenzel, wissenschaftliche Mitarbeiterin, haben unsere Fragen über das Projekt beantwortet.

Wie ist die Idee für das Projekt entstanden?

Prof. Dr. Ralf Elbert: Die beiden beteiligten Forschungseinrichtungen der TU Darmstadt – das Institut für Arbeitswissenschaft (IAD) und das Fachgebiet Unternehmensführung und Logistik (LOG) – stehen seit einigen Jahren in engem Austausch. Inhaltlich unterscheiden sich die Ansätze und Blickwinkel auf die Prozesse der Intralogistik stark. Während sich das LOG vor allem mit der Planung und der betriebswirtschaftlichen Analyse von logistischen Prozessen beschäftigt, erforscht man am IAD vor allem den Einfluss der manuellen Arbeit auf Kommissionierende, zum Beispiel die Bewertung von physischen Belastungen. Zusammen wurde ein interdisziplinärer Ansatz festgestellt, der großes Potential hat. Die menschbezogenen Faktoren, insbesondere individuelle Fähigkeiten und Leistungspotentiale, sollen in eine agentenbasierte Simulationsumgebung eingebettet werden. Insbesondere die Interdependenz zwischen den beiden Disziplinen macht die gemeinsame Betrachtung sehr attraktiv.

Welche Bedeutung hat/hatte die HOLM-Innovationsförderung für das Projekt?

Prof. Dr. Ralf Elbert: Bedeutsam ist der Zusammenschluss von wissenschaftlicher und unternehmerischer Seite. Die HOLM-Innovationsförderung bietet uns die Möglichkeit und Unterstützung, wissenschaftliche Erkenntnisse nach außen zu tragen und im Gegenzug auch wichtige Impulse von Seiten der Praxis zu erhalten. Sogenannte „Kurzprojekte“ mit einem Zeitraum von einem Jahr bieten die Möglichkeit, Pilotprojekte zu starten und die Machbarkeit und das Potential von Innovationen abzuwägen. Hieraus können im Anschluss größere Projekte entstehen, die ohne die Initialzündung des HOLM nicht zustande gekommen wären.

Welchen Nutzen für Wirtschaft und/oder Wissenschaft/Politik/Gesellschaft sehen Sie für Ihr Projekt?

Prof. Dr. Ralf Elbert: Unser Projekt bietet eine sehr hohe Relevanz für die Praxis – das konnte in Gesprächen mit Unternehmensvertretern immer wieder festgestellt werden. Aus unternehmerischer Sicht soll der gesundheitliche Nutzen der Belegschaft, die Erhöhung der Planungssicherheit der Prozesse und die Reduzierung der Kosten für die Einsatzkräfte im Fokus stehen. Dies wirkt sich von der Unternehmensansicht ausgehend indirekt auf die Gesellschaft und die Wirtschaft aus. Hinsichtlich der stetig steigenden Umsätze im eCommerce-Handel nimmt die Bedeutung der Kommissionierung für die Wirtschaft und Gesellschaft kontinuierlich zu. Da die Kommissionierung nach wie vor durch einen hohen Anteil an manueller Arbeit geprägt ist, liegt bisher ein hohes Risiko zur Entwicklung muskuloskelettaler Erkrankungen vor. Durch eine Betrachtung individueller Fähigkeiten und Leistungspotentiale sollen sich Überbelastungen und Überbeanspruchungen bei hoher Wirtschaftlichkeit zukünftig verhindern lassen.

Was hat Sie am Projekt am meisten überrascht? Über welche Zwischenergebnisse können Sie berichten?

Julia Wenzel: Überraschend war die hohe gegenseitige Beeinflussung beider Disziplinen. Der Faktor Mensch wurde in der Logistik bisher überwiegend hinsichtlich seiner technischen Ausführung der Prozesse behandelt. Unser Projekt bietet die Möglichkeit, den Menschen an sich zu betrachten und hierbei seine individuellen Fähigkeiten zu berücksichtigen, um ihn entsprechend einzusetzen. Als beispielhaftes Zwischenergebnis lassen sich durchgeführte Kommissionierversuche erwähnen. Hier wurde untersucht, inwiefern die Körpergröße eines Pickers, also einer Person, die für die Zusammenstellung von Kundenbestellungen sorgt, die Körperhaltung bei verschiedenen Entnahmevorgängen, zum Beispiel bei verschiedenen Regalhöhen und Artikelgewichten, beeinflusst.

Es konnte quantifiziert werden, welche Bereiche von Kommissionierern mit einer bestimmten Körpergröße ideal erreicht werden können, um so entsprechende Kommissionieraufträge gezielt an diese Personen vergeben zu können. Dieser Zusammenhang wurde, neben einer Reihe von weiteren entscheidenden Eigenschaften individueller Kommissionierer wie Geschlecht und Alter, in ein Simulationsmodell mit der Software Anylogic eingearbeitet. Sowohl der Versuch als auch die Simulation zeigen vielversprechende Zwischenergebnisse für das Projekt.

Wo sehen Sie einen weiteren Forschungs-/Anwendungsbedarf und/oder Einsatzbereich?

Julia Wenzel: In dem hier beschriebenen Projekt werden wir nur eine ausgewählte Menge an menschlichen Fähigkeiten und Kommissionierszenarien betrachten können. Diese könnten wir in einem Anschlussprojekt deutlich ausweiten. Als Beispiel für einen weiteren Ansatzpunkt ist die Übertragung auf das Ware-zur-Person-Konzept zu nennen. Bei derartigen Konzepten findet keine manuelle Kommissionierung im klassischen Sinne statt. Stattdessen führt der Kommissionierer ähnliche Picking-Vorgänge innerhalb einer Arbeitsstation aus. Die Betrachtung der Fähigkeiten und Belastungen ist hier äquivalent zu den Erkenntnissen unseres Projektes. Dementsprechend müssten auch hier die Arbeitslast und Komplexität reduziert werden.

Mit welchen Partnern möchten/wollen Sie das Projekt ggf. fortführen/weiter entwickeln?

Julia Wenzel: Für eine Weiterführung des Projekts sprechen die vielversprechenden Zwischenergebnisse. Die Kombination aus wirtschafts- und arbeitswissenschaftlichen Projektpartnern hat sich sehr bewährt und sollte unbedingt beibehalten werden. Im Projektverlauf konnten bereits zahlreiche verwandte Themen und Ansatzpunkte identifiziert werden, die unter dem interdisziplinären Kontext erforscht werden können. Besonders wichtig sind in diesem Zusammenhang auch entsprechende Unternehmensvertreter*innen, welche mit Fachwissen und Erfahrung wertvolle Hinweise bezüglich der Praxisrelevanz einzelner Parameter und Simulationsaspekte geben können.

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